Wenn eine Band ein Album herausbringt, dann gibt es abgesehen von der Musik selbst, noch einen anderen wichtigen Aspekt des großen Ganzen, nämlich das Narrativ in welches das Album, die Band oder ihre einzelnen Mitglieder eingebettet werden. Mit ihrem neuen Album Ten Seated Figures treiben die immer schon sehr groß denkenden kanadischen „Art-Pop-Transformers“ Yes We Mystic diesen Gedanken bis an die Spitze.
In einem umfangreichen Gesamtkunstwerk behandelt die Band die Frage, wie wir mit Erinnerungen und dem Vergessen umgehen, wo sich diese doch ganz besonders in einer digitalen Welt modulieren, aufhübschen und zerstören lassen und die Frage nach der Wahrheit unbeantwortet bleibt. Dies wird einerseits natürlich lyrisch angegangen, ebenso aber auch in die Musik gearbeitet. Der künstlerische Clou, der über ein normales Storytelling hinausgeht, ist die Verdoppelung ihrer selbst. Eine weitere fünfköpfige leibhaftige Yes We Mystic-Band steht ebenfalls für Interviews und Bilder zur Verfügung und tatsächlich werden sie ebenso wie die ‚echte‘ Band Shows performen. Wie verhält sich hier also der Anspruch auf die Wahrheit, wer produziert Lügen und wer moduliert die Realität? Chapeau für diese Idee!
Was auf ein kleines Chaos aus Unsicherheit und gezielter Inszenierung hinausläuft leitet sich auch aus der Musik ab und das wird zuweilen anstrengend. Sie denken zwar groß aber musikalisch vielleicht nicht groß genug, denn da könnte man mehr in die Tiefe gehen, experimenteller arbeiten und weniger versuchen große Pop-Hymnen zu schaffen, die am Ende völlig überladen sind. Die Idee ist zu offensichtlich: Welche Sounds höre ich, woher kommen sie, wie lang bleiben sie und wie kann ich sie greifen? Eine riesige Klangwelle umspült den Kopf mit allerlei elektronischen und analogen Sounds, temporeich und laut. Dazu kommt die epische Gesangsweise von Adam Fuhr. Ständig geht es auf und ab, neue Sounds kommen hinzu und vergehen wieder. Kreativ und aufwändig ist das allemal, doch fehlt dabei einfach das Feingefühl, dass das Hörerlebnis zu einem Erfüllenden macht. Einige Stücke haben ihre Momente, wie Felsenmeer oder Panthalassa, die mehr überzeugen. Doch immer wenn man sich danach sehnt, dass eine Passage einmal weiterläuft, passiert etwas Neues und das führt dazu, dass von Stück zu Stück die ganze Angelegenheit immer vorhersehbar wird. Für die Ganzheitlichkeit ihres Kunstwerks spricht dennoch, dass sie ihre Vorgehensweise von der ersten bis zur letzten Sekunde durchziehen.
Yes We Mystic sind hier vielleicht zu ambitioniert an die Thematik herangegangen und scheitern daran. Der Sound an sich, der von Fuhr selbst und Marcus Paquin (Arcade Fire, The National) produziert wurde ist ziemlich massiv, das hat definitiv auch seine Faszination und lässt sich mit Begeisterung verfolgen. Weniger Thematik und mehr Minimalismus wäre für eine wirklich Runde Sache jedoch von Vorteil gewesen. Vielleicht schafft es ja ihr Alias damit anders umzugehen.
Yes We Mystic – Ten Seated Figures
VÖ: 19.April 2019, Devilduck / Indigo
www.yeswemystic.com
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